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Wo wird man wiedergeboren?

Diese Frage hat die Menschen schon zu Buddhas Zeiten beschäftigt. Sie rätselten darüber, ob man voraussehen könnte, wo man nach dem Tod wiedergeboren wird. Es gibt eine sehr alte Geschichte, in der erzählt wird, wie zwei Freunde ausgemacht haben, dass der, der als erster stirbt, dem anderen Bescheid gibt, wo er nach seinem Tod als Mensch wiedergeboren wird.

Die Bilder hat Phirun Koy für euch gezeichnet.

 

Die gebrochene Achse und der Baum

 

Kaufmann, Illustration Phirun KoyZu der Zeit, als der Buddha noch lebte, hatte er sehr viele Schüler. Einer davon war der Kaufmann Naritto, der in Savatti lebte und Töpferwaren verkaufte. Einmal im Monat belud er seinen Ochsenkarren und reiste damit in die weiter entfernt gelegene Stadt Videha, um dort auf dem großen Markt seine Waren anzubieten.

So wollte er es auch in diesem Monat wieder tun. Der Hinweg verlief ohne jede Schwierigkeit. Auf dem Markt in Videha angekommen, hatte er großes Glück. Ein Wirt wollte ein neues Gasthaus eröffnen und brauchte dafür Geschirr. Er kaufte dem Kaufmann alle Teller, Tassen, Schalen und Krüge ab, die dieser dabei hatte. Von dem Geld, das er eingenommen hatte, kaufte sich der Kaufmann auf dem Markt einige Dinge, die es bei ihm zu Hause nicht gab. Das waren zum Beispiel Stoffballen und Wolle, bunt bestickte Tücher und auch einen Sack bester Hirse.

Er lud alles auf seinen Ochsenkarren und machte sich zufrieden auf den Heimweg. Um so schnell wie möglich wieder daheim zu sein, wählte er eine Abkürzung, die ihn durch einen Wald führte. Er war schon einige Stunden unterwegs, als die Straße plötzlich immer schlechter wurde. Ein Schlagloch reihte sich ans andere. Der Wagen holperte nur so dahin und die Ochsen hatten Mühe nicht zu stolpern.

Achse, Illustration Phirun KoyAuf einmal war ein lautes Knirschen zu hören. Der Holzkarren krachte auf den Boden und ließ sich nicht mehr weiterbewegen: Die Achse des Wagens war entzweigebrochen.

Wie es der Zufall wollte war genau zur gleichen Zeit der Nachbar des Kaufmannes aus Savatthi ebenfalls mit einem Ochsenkarren auf der Straße in der entgegengesetzten Richtung durch den Wald unterwegs. Er war Holzfäller und hatte vor, dort einige Bäume zu fällen.

„Hallo, Nachbar!“, grüßte er freundlich. „Da habt Ihr aber Pech gehabt!“

Der Kaufmann blickte zerknirscht drein. „Allerdings!“

Der Holzfäller ließ seinen Blick über den Karren schweifen. Er entdeckte Stoffballen, einen Sack, in dem sich wahrscheinlich Getreide befand. Dann begutachtete er den Schaden. „Da ist die Achse gebrochen!“, meinte er fachmännisch.

„Bei diesen Schlaglöchern auch kein Wunder“, antwortete der Kaufmann und sah die Straße hinunter.

Der Holzfäller deutete auf seine Axt. „Ich schlage vor, wir suchen uns im Wald einen passenden Baum, fällen ihn und hauen ihn zu recht. Dann können Sie in wenigen Stunden weiterfahren!“

„Das würden Sie wirklich tun?“ Der Kaufmann sah den Holzfäller überglücklich an. „Ich habe auch noch Geld übrig, ich kann Sie dafür bezahlen!“ Er deutete auf seinen Geldbeutel, den er am Gürtel hängen hatte.

„Lassen Sie nur!“, antwortete der Holzfäller abwehrend. „Ich tu das gerne für Sie. Schließlich sind wir schon seit Jahren Nachbarn und wir hatten noch nie irgendeinen Streit miteinander. Es ist mir eine Freude, wenn ich Ihnen helfen kann!“

„Sie wollen wirklich nichts annehmen?“ Der Kaufmann ließ nicht locker. „Sie können auch gerne einen Stoffballen haben. Ihre Frau wird sich sicher darüber freuen.“

Der Holzfäller schüttelte energisch den Kopf. „Nein, nein. Ich will wirklich nichts dafür!“

Achse, Illustration Phirun KoyDer Kaufmann gab sich geschlagen. „Dann werden Sie durch diese Tat aber ganz sicher gutes Karma ansammeln und im nächsten Leben wird ihnen ebenfalls geholfen werden!“

Der Holzfäller lachte. „Ja, im nächsten Leben wird jemand für mich einen Baum fällen!“

„Ist doch eine schöne Aussicht, oder?“ Der Kaufmann klopfte ihm auf die Schulter.

„Ja, nur wofür werde ich diesen Baum dann brauchen?“

Der Kaufmann zuckte mit den Schultern. „Das werden Sie dann im nächsten Leben erfahren. Vielleicht werden Sie dann ein Kaufmann, weil Sie mir geholfen haben?“

„Wenn man das alles nur vorher wüsste“, murmelte der Holzfäller und holte die Axt von seinem Karren.

Mit vereinten Kräften fällten sie einen passenden Baum. Der Holzfäller haute ihn mit der Axt so zurecht, dass er eine Stange wurde, die genau die gleiche Größe wie die zerbrochene Achse hatte. Daran befestigten sie die Räder der zerbrochenen Achse.

Holzfäller und Kaufmann verabschiedeten sich herzlich. Der Holzfäller hatte noch genügend Zeit, für sich selbst geeignete Bäume zu fällen, auf seinen Karren zu laden und ebenfalls rechtzeitig, bevor es dunkel wurde, nach Hause zu gelangen.

Das Verhältnis zwischen den beiden Nachbarn entwickelte danach sich zu einer echten Freundschaft. Sie trafen sich oft, um miteinander zu reden. Ihr Lieblingsthema kreist darum, was ihnen wohl nach dem Tod geschehen würde und als was oder wer sie wiedergeboren würden.

Plötzlich erkrankte der Holzfäller an einer schweren Krankheit. Er wurde schwach und schwächer und konnte bald nicht einmal mehr aufstehen.

Holzfäller, Illustration Phirun KoyEines Tages fühlte sich der Holzfäller plötzlich ganz ohne Schmerzen. Er bekam einen Schreck, als er seinen Körper unter sich liegen sah. Da wurde ihm klar, dass er wohl gestorben sein musste.

„So ist das also!“, überlegte er und wartete, wie es wohl weitergehen würde. Er sah seine Frau und seine Kinder, wie sie sich traurig über seinen Körper beugten. Er sah, wie seine Tochter zum Haus des Nachbarn geschickt wurde, um ihm die Nachricht seines Todes zu überbringen. Er hörte alles, was sie miteinander sprachen, als ob er daneben stehen würde. „Seid nicht traurig, mir geht es gut!“, versuchte er ihnen zu sagen, doch sie hörten ihn nicht.

Eine Weile lang blieb er noch um seinen toten Körper herum. Er war leicht wie Luft und schwebte wie schwerelos auf und nieder.

Plötzlich spürte er, dass er wieder einen Körper hatte. Doch es war kein Menschenkörper! Der Körper, der ihm jetzt gehörte, war strahlend und sehr schön. Sofort wusste er, dass er ein Baumgott geworden war.

baumgott, Illustration Phirun KoyEr konnte auch unglaublich schnell und leicht denken und verstehen. „Das ist, weil ich jetzt ein Baumgott bin!“, wurde ihm klar. Und ein Baumgott bin ich geworden, weil ich dem Kaufmann damals geholfen habe, ohne etwas dafür zu verlangen!“ Der Zusammenhang war ihm glasklar, da gab es keine Zweifel.

Der Holzfäller, der jetzt ein Baumgott war, erinnerte sich an die vielen Gespräche, die er seit dem Ereignis mit der gebrochenen Achse mit ihm geführt hatte. Wie oft hatten sie überlegt, wie es nach dem Tod weitergehen würde und wie das Gesetz von Ursache und Wirkung eigentlich funktioniert.

Er zögerte keine Sekunde, sondern wünschte sich, in der Nähe seines Freundes zu sein. Inzwischen hatte er nämlich auch schon herausbekommen, dass man sich als Baumgott durch die Kraft von Gedanken bewegen konnte. Im nächsten Moment stand er neben seinem Freund. „Kaufmann!“, sprach er freudig, „Ich will dir etwas mitteilen!“

baumgott, Illustration Phirun KoyDoch der Kaufmann hörte ihn nicht. Mit hängendem Kopf stand er traurig am Fenster. „Ach, wenn mein Freund nur nicht so früh gestorben wäre!“, dachte er und Tränen rollten seine Wangen herunter.

„Ich muss mich sichtbar machen“, überlegte der Baumgott und konzentrierte sich auf Sichtbarwerden.

„Huch!“, erschrak der Kaufmann. „W-w-w-er bist d-d-denn du?“; stotterte er und warf sich zu Boden nieder. „Ein G-o-o-tt“, stammelte er.

„Kaufmann, ich bin’s, dein Freund, der Holzfäller!“

„Was? Wirklich?“ Der Kaufmann sah ihm schüchtern an.

Da merkte der Baumgott, dass es schwierig für ihn war, normal in der Menschensprache zu sprechen. Deshalb versuchte er es mit Versen:

„Die Wiedergeburt, über die wir uns Gedanken machten,

verläuft ganz anders als wir dachten.

Weil ich dir half ganz ohne Gier,

steh ich jetzt als Gottheit hier.

Falsch war unsere Ansicht,

dass die Tat der Tat entspricht,

dass das, was man als Gabe gibt,

kommt haargenau als Frucht zurück.

Nein, auf das gute Herz kommt’s an,

nicht auf die Sache, die man geben kann.“

Tränen der Dankbarkeit schwammen jetzt in den Augen des Kaufmanns. „Danke, danke, danke!“, stotterte er und warf sich erneut vor dem Baumgott nieder, dessen wunderschöne Erscheinung nach und nach vor ihm verblasste.

 

aus dem PETA-VATTHU, Buch IV, IV,13, nacherzählt von Andrea Liebers, Quelle : http://www.palikanon.com/khuddaka/pv/petavatthu.htm -

Illustrationen von Phirun Koy

 

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